PENDLER – Hey Translators
PerformerInnen von heute sind oft ratlos, auf welcher BĂŒhne sie stehen, wie das StĂŒck heiĂt und ob sie ĂŒberhaupt gerade dran sind. Jeder wartet permanent auf seinen Auftritt, auf eine Gelegenheit, von der unklar ist, ob sie jemals kommen wird.
Hier kommen Sabine Marte, Markus Marte und Oliver Stotz â gemeinsam sind sie Pendler â und ihr neues Album âHey Translatorsâ ins Spiel. Denn dieses handelt u.a. vom langen Warten auf den Auftritt. Von dem GefĂŒhl, sich in einem Zwischenzustand zu befinden, der so lang andauert, dass er eigentlich lĂ€ngst zum Normalzustand vieler Existenzen geworden ist. Manchmal lĂ€sst sich dem noch ein Rest von Glamour abgewinnen. In âDie Schauspielerinâ wartet das Publikum auf den Star, der sich dann auch zeigt. WĂ€hrenddessen entfaltet das StĂŒck ĂŒber seine Dauer von fĂŒnf Minuten langsam eine hypnosierende Wirkung und groĂe Spannung, die sich am Schluss in einem kurzen Donnerwetter entlĂ€dt.
Im fĂŒr Pendler untypisch grellen, fast schon hysterischen EröffnungsstĂŒck âStay in the Series Foreverâ nimmt Sabine Marte die gar nicht glamouröse Rolle einer TV-Seriendarstellerin ein. Diese kann sich nicht damit abfinden, dass ihr Engagement zu Ende geht, und wiederholt wie ein nervöses Mantra immer wieder den Satz âI like to stay in the series foreverâ. Eine ruhig-lakonische MĂ€nner-Stimme wendet ein, dass das nicht möglich sei: âLook at the script.â
Wer darauf wartet, dass sich etwas tut, ist zunĂ€chst wach und aufmerksam. Wer lĂ€ngere Zeit warten muss, dass sich vielleicht irgendwann einmal etwas tut, wird nach einiger Zeit aufgekratzt und gleichzeitig mĂŒde. In diesem Modus sind Pendler auf ihrem dritten Album âHey Translatorsâ unterwegs: Sie bewegen sich zwischen ungewohnt schnellen, mitunter sogar ruppigen, rockigen Songs, in denen sie wie eine rĂ€udige Bluesband wirken, die in ein VarietĂ©theater geraten ist, und den eher ruhigen, langsamen StĂŒcken, die ihre beiden vorigen Alben geprĂ€gt haben.
Das seit gut zehn Jahren aktive Trio hat mit âHey Translatorsâ ihr bislang herausfordernstes und zwingendstes Album aufgenommen. Und es ist fast so etwas wie ein zweites DebĂŒt. Seit den von zurĂŒckgenommenem Electrofolk fĂŒrs digitale Lagerfeuer geprĂ€gten Alben âYou Come to Meâ (2006) und âWe Went From Destructionâ (2009) hat sich musikalisch eine Menge getan. Um im Bild der Schauspielwelt zu bleiben, haben die neuen StĂŒcke einen gröĂeren Auftritt, eine stĂ€rkere PrĂ€senz. Der schon erwĂ€hnte Opener âStay in the Series Foreverâ erinnert an die theatralischen SpĂ€twerke des Duos Sparks. Der Titelsong âHey Translators!â beginnt zurĂŒckgenommener, rumpelt dann aber geradewegs so los, als wĂ€re Tom Waits nicht weit.
âCountry Songâ wiederum ist das griffigste und eingĂ€ngigste StĂŒck, das Pendler je geschrieben haben. Ein extrem vielschichtiges und ausgefuchstes StĂŒck Musik, das sich nicht damit begnĂŒgt, CountryplattitĂŒden herbeizuzitieren. Es arbeitet musikalisch mit gewitzten Anspielungen an Spaghetti-Western und Ennio Morricone und liefert inhaltlich â âgifted with wordsâ â eine MetaerzĂ€hlung ĂŒber das Genre, die ins Feministische gedreht ist, ohne die Genregrenzen zu ĂŒberschreiten. Der Song spricht von Feuer und Schicksal, vom Aufbrechen und Verlassen der Herkunft. Und wie es sich fĂŒr das Genre gehört, endet er mit einem Aufbruch ins Ungewisse.
Selbst die Ruhepole am Album sind permanent in Bewegung. So entwickelt sich das von Markus Marte gesungene âNearysâ von einem Solo in drei Minuten zu einem ĂŒberschwĂ€nglichen ChorstĂŒck. âHello Here in this Poor Cityâ, mit dem das Album schlieĂt, strahlt durch sein zĂ€rtlich-stures Textostinato eine surreale Melancholie aus, eine zersplitterte Hymne an eine heruntergekommene Stadt.
Wie die âTranslatorsâ im Albumtitel, die Inhalte von einer Sprache in eine andere ĂŒbersetzen, aber damit gleichzeitig auch verĂ€ndern, verbiegen und neu schreiben, ĂŒbersetzen Pendler mit groĂer Lust an Details komplexe Themen, Gedanken und GefĂŒhle in Songs von drei bis fĂŒnf Minuten Dauer. Dass dabei kein kopflastiger Konzeptpop herauskommt, sondern ein herausforderndes, aber auch extrem lohnendes Hörerlebnis, lĂ€sst sich schon am Titel ablesen.
âHey Translatorsâ â das formuliert eine freundlich-bestimmte Einladung an den Hörer und fordert Aufmerksamkeit ein. Lang genug galt diese Band als introvertiert, zurĂŒckhaltend und ausufernd. Diesmal ist das BĂŒhnenlicht auf sie gerichtet. Auftritt Pendler.
(Sebastian Fasthuber)
AUGUSTIN – Review
Ein Pop-Musik-Layout mit Herz und Hirn, welches Freude macht. Angesiedelt an den RÀndern von dem, was gemeinhin als Popmusik gehandelt wird, pendelt das Trio bereits seit zehn Jahren durch die Landschaft. Mit ihrem dritten Album gehen Sabine Marte (SV Damenkraft), Markus Marte und Oliver Stotz einen experimentellen
Schritt weiter. ln Vergleich mit ihren beiden vorangegangenen Alben wird es auch ein Eck ungehobelter. Viele Referenzen werden zusammengetragen, neu montiert und spannend aufbereitet. Inhaltlich wird die Welt der BĂŒhne behandelt, alles was sich
davor, dahinter, dazwischen abspielt, vom Warten, von Erwartungen, bis derVorhang fĂ€llt. Auch wenn das alles sehr verstiegen daherkommt, «Hey Translators» klingt keineswegs kopflastig. Eine hymnische, kryptische Pop-Performance, die fesselt. Klappe halten und zuhören, ein starker Auftritt – dacapo !
(Mario Lang)